Nein, es nicht alles Gold was glänzt. Das Beispiel Portugal zeigt, dass sich in Europa plötzlich eine zweite Front auftut. Dabei galt das Land bisher als Aushängeschild in der durch die EU forcierten Bailout-Strategie. Die angeblichen Erfolge erweisen sich nun als Bumerang, da Portugal nicht nur eine Verfassungskrise droht, sondern auch direkt auf einen Schuldenschnitt oder zweiten Bailout durch die Troika zusteuert. Der durch Staatspräsident Silva geforderte „nationale Rettungspakt“ ist schon gescheitert. Ob Staaten in der Eurozone wirtschaftlich und politisch zerfallen scheint für Brüssel nebensächlich – Hauptsache, der Euro erstrahlt zu guter Letzt in vollem Glanze. 

Staatspräsident Anibal Cavaco Silva erklärte in der vergangenen Woche, dass es Portugal nach den Ministerrücktritten nicht schaffen werde, sich wie einst geplant in 2014 wieder autonom an den Finanzmärkten zu refinanzieren. Darauf erfolgte sein Aufruf an die beiden Regierungsparteien, mit der parlamentarischen Opposition über einen „nationalen Rettungspakt“ zu verhandeln, dessen Verabschiedung über eine breite politische Mehrheit verfügen würde.

Grund ist, dass Portugal direkt auf einen zweiten Bailout durch die Troika zusteuert, da neben den politischen Turbulenzen auch wichtige Sparmaßnahmen durch das Verfassungsgericht einkassiert wurden. Resultat ist, dass es Silva mit der Umsetzung eines „nationalen Rettungspaktes“ im Angesicht von abermals abhebenden Bondrenditen nicht schnell genug gehen kann. Schließlich sollen Neuwahlen mit allen Mitteln vermieden werden, die sich als Waterloo für die regierenden Konservativen von Premier Passos Coelho erweisen dürften.

Ein Blick auf die aktuelle Sitzverteilung im Parlament: die Social Democratic ist die konservative Partei von Premier Passos Coelho – nicht zu verwechseln mit den oppositionellen Sozialisten von Jose Seguro. 82,5% aller Portugiesen fordern laut neuester Umfragen ein Ende der Austeritätsmaßnahmen.

Die oppositionellen Sozialisten von Jose Seguro hatten Schlüsselentscheidungen der Regierungsparteien im Lissabonner Parlament einst mit getragen. Dazu gehörte zum Beispiel auch die Zustimmung zur Inthronisierung des permanenten Bailout-Schirms ESM. Die Sozialisten, die in aktuellen Wahlumfragen mit bis zu 15% die Nase vorn haben, teilten jedoch mit, dass sie unter den gegebenen Umständen nicht zum Eintritt in eine Koalitionsregierung mit Passos Coelho bereit seien.

Vielmehr spricht sich die Opposition schon seit geraumer Zeit dafür aus, die einst beschlossenen Bailout-Auflagen mit der Troika neu zu verhandeln. Zusätzliche Sparkürzungen werde es mit den Sozialisten nicht geben, die Staatspräsident Silva zur Ausrufung von Neuwahlen aufrufen. Normalerweise würde die Legislaturperiode der konservativen CDS, die sich in einer Koalition mit ihrem Juniorpartner CDS-PP befindet, erst im Jahr 2015 enden.

Doch die Zweifel wachsen, dass Premier Passos Coelho bis dahin durchhalten wird. Geht es laut Staatspräsident Silva, hätten sich die Parteien im Parlament auf einen „nationalen Rettungspakt“ verständigen sollen. Dieser Rettungspakt wäre mit der Ausrufung von Neuwahlen im Juni 2014 verbunden gewesen – just zu dem Zeitpunkt, zu dem die Regierung hoffte, sich wieder autonom über die Bondmärkte refinanzieren zu können. Doch dieser Plan Silvas ist schon am Donnerstag in Schall und Rauch aufgegangen, nachdem die Regierung die Troika offiziell darum ersuchte, die nächste Beurteilung zur aktuellen Lage auf August zu verschieben.

Hinzu kommt, dass weder die Konservativen noch die Sozialisten in eine gemeinsame Regierung eintreten wollen. Hintergrund des Ansinnens von Silva ist, die beschlossenen Austeritätsmaßnahmen aufrecht zu erhalten, oder bis Juni 2014 sogar noch auszuweiten. Portugal steuert geradewegs in eine Verfassungskrise hinein, nachdem Sozialistenführer Seguro sich am Wochenende erneut gegen zusätzliche Sparkürzungen zum Wohle aller Portugiesen aussprach. Die Sozialisten wiederholten, dass sie die bislang mit der Troika vereinbarten Bailout-Auflagen aufschnüren und neu verhandeln wollen.

Zum Aktienkurs der Banco Comercial Portuguese muss nicht viel gesagt werden. Einst lag das Hoch bei über 3 Euro.

Laut Sozialisten müsse Premier Passos Coelho endlich einsehen, dass seine Politik auf ganzer Linie gescheitert sei. Man könne nicht gegen die Belange eines ganzen Landes Politik machen. Zu guter Letzt meldete sich auch noch die Ratingagentur Standard & Poor´s zu Wort, die eine Herabstufung der Banco Comercial bekannt gab und eine Reihe von anderen portugiesischen Finanzinstituten mit einem negativen Ausblick versah. Wie es in einer Mitteilung hieß, sei ein Overkill in Bezug auf Sparmaßnahmen zu befürchten, durch den sich die Situation des Landes weiter verschärfen werde. Denn der private Wirtschaftssektor befinde sich am Ausbluten, wodurch die Steuerbasis der Regierung weiter erodiere. Genau auf diesen Aspekt hatte ich Sie in der Vergangenheit immer wieder hingewiesen.

Wer inmitten einer Wirtschaftsdepression massiv die Steuern anhebt und gleichzeitig die öffentlichen Ausgaben drastisch kürzt, würgt die private Wirtschaft ab. So etwas verkaufen nationale Regierungen und Troika dann als Reformen. Im Endeffekt erweisen sich diese Maßnahmen einzig und allein als Sargnagel für ohnehin arg strapazierte Wirtschaften. Im Unternehmenssektor zeugen Insolvenzen auf Rekordhöhe von der Richtigkeit dieser These. Standard & Poor´s ergänzte, dass die miserable Wirtschaftslage zu einem drastischen Anstieg der faulen Kredite im portugiesischen Bankensystem führe.

Portugals PSI 20 Index (Chart: Bloomberg)  ist weit von seinen ehemaligen Höchstständen entfernt und droht in eine neue Abwärtsbewegung überzugehen. Neue Tiefs könnten die Folge sein.

Forderungen der Troika sehen eine Reduktion der Staatsausgaben von weiteren 5 Milliarden Euro im laufenden Fiskaljahr vor. Kritiker erklärten, dass diese Maßnahmen nicht dazu beitrügen, das Verschuldungsniveau des Landes zu reduzieren. Ganz im Gegenteil werde die offizielle Staatsverschuldung im Jahr 2014 die Marke von 130% in Relation zum BIP erreichen. Natürlich gehen die aktuellen Ereignisse nicht spurlos an den Bondmärkten vorüber. Innerhalb von nur wenigen Tagen machte die Rendite auf Portugals 10-jährige einen Satz auf in der Spitze 7,85%.

Bislang wurde immer wieder behauptet, dass sich die Situation in Portugal von Griechenland unterscheide. Sollte die politische Krise anhalten, wonach es aussieht, dürfte auch diese Hoffnung letztendlich einer Anerkennung der vorherrschenden Realitäten Raum machen. Scheitert plötzlich auch Portugal, würde das Gerede in der EU über alternativlose Bailouts einen weiteren  starken Kratzer erhalten. Analysten der französischen Großbank BNP Paribas sind der Ansicht, dass Premier Passos Coelho nach den Ministerdemissionen aus seiner Regierung nur noch ein „politischer Krüppel“ sei, der nichts mehr unter Kontrolle habe.   

Die politische Krise hat Portugals 10-jährige Bondrendite wieder weit über die kritische Marke von 7% befördert.

 

Und genau aus diesem Grund gibt es auch kaum mehr eine Chance darauf, dass Portugals Bailout-Programm – wie vorgesehen – im Juni 2014 enden wird. Vielmehr sollten sich die Finanzmärkte darauf vorbereiten, dass es auch in Portugal zu einem Schuldenschnitt oder einem zweiten Bailout durch die EU kommen wird. Während Portugal sich zu aktuellen Bondmarktzinsen nicht selbstständig refinanzieren kann, liegen die mit der Troika vereinbarten Bailout-Zinsen bei 3,2%. Doch gerade Ausblick auf einen zweiten Bailout trägt momentan dazu bei, dass Bondinvestoren wieder einen großen Bogen um portugiesische Staatsanleihen machen.

 

Die Probleme der EU vergrößern sich gerade, da neben Griechenland in Portugal eine zweite Front erwächst. Es wird einfach immer schwerer, den Laden zusammenzuhalten. Nicht nur der wirtschaftliche, sondern vor allem der politische Druck droht in einigen  Mitgliedsländern überzukochen. 

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